Tragen unter besonderen Umständen

Kind mit Becken-Bein-Gips

 

Liebe Leute, heute möchte ich euch von einer ganz besonderen Trageberatung berichten.

 

 

Vor einigen Wochen meldete sich eine Familie bei mir mit den Worten „Guten Tag Frau Hilberg, wir suchen eine Trageberatung. Hätten Sie Lust auf eine Herausforderung?“. Ich muss zugeben, ich war etwas perplex, musste über diesen sympathischen Gesprächseinstieg erstmal schmunzeln und lies mir dann zunächst einmal berichten worum es geht.

 

 

Die Eltern suchten nach einer Tragemöglichkeit für ihren fast 10 Monate alten Sohn. Der kleine Mann kämpft seit der Geburt und in Folge einer komplizierten Schwangerschaft mit einer ausgerenkten Hüfte. Momentan trägt er deswegen einen ziemlich großen, schweren und sperrigen Becken-Bein-Gips, sodass er vom Bauchnabel bis zu den Knöcheln in einer Abspreizhaltung eingegipst ist. Zur Stabilisation des Gipses ist zwischen den Knien eine Stange befestigt. Und weil die Herausforderung noch nicht groß genug ist, hält der kleine Patient bislang von den Trageversuchen der Eltern so absolut gar nichts.

 

In meinem Kopf begann das Rattern und ich suchte das Gespräch mit meinen Kollegen: Warum könnte sich das Kind gegen das Tragen sperren? Was für Möglichkeiten gibt es, den kleinen Schatz doch ans Tragen heranzuführen? Welche Tragemöglichkeiten kommen unter diesen Umständen überhaupt erst in Frage? Eine zierliche Mutter, ein schweres Kind, eine absolut unhandliche Schienenfixation, …

 

 

Am Tag der Beratung fuhr ich dann mit vollgepackten Koffern zu der Familie. Ich war selbst gespannt, ob uns das Unterfangen gelingen würde und so starteten wir nach einem kurzen Gespräch ins Ausprobieren. Der vorhandene MeiTai stützte das Kind nicht ausreichend und benötigte zudem Unmengen an Polstermaterial, um es für die Mutter überhaupt annähernd tragbar zu machen. Verschiedene Halfbuckle-Tragen (die ich zunächst als die Sinnvollsten angedachte hatte) waren vom Rückenpanel zu kurz oder ließen sich kaum durch die Stangenkonstruktion fädeln.

 

Nach einiger Tüftelei war dann mein Huckepack-Fullbuckle an der Reihe. Die super große Toddlertrage mit diversen Schnallen und stark gepolsterten Trägern funktionierte. Und sie funktionierte nicht einfach nur irgendwie, …. Mit der Rückentrageweise ermöglichten wir dem kleinen Weltengucker durch einem Blick über Mamas Schultern eine hervorragende Sicht, was seine Abneigung gegen das Tragen schon mal deutlich minderte. Modifiziert mit zusätzlichen Steigbügeln, die wir am Rückenpanel festbanden, konnten wir das Gewicht des Gipses etwas abtragen. Spucktücher halfen uns, die unangenehmen Gipskanten zu polstern und mit einem Suckpad minderten wir den Druck der Holzstange auf Mamas Rücken.

 

 

Steigbügel

Wir konzipierten gemeinsam zwar nicht die perfekte Tragemöglichkeit, aber wir fanden eine Lösung, mit der die Eltern sich anfreunden und der kleine Mann das Tragen genießen konnte. Eine erste kleine Runde um den Block und im Haus wurden schon mal fröhlich brabbelnd abgenommen.

 

 

Die Familie kann jetzt in einen lang ersehnten Natururlaub starten und hoffentlich viele schöne Tragemomente erleben. Ich freue mich sehr, dass wir die Herausforderung gemeistert haben und wünsche den Dreien alles Liebe, viel Erfolg und gute Genesung in ihrer weiteren Behandlungsgeschichte.